In meinem kleinen, corpus-, d.h. COSMAS-basierten Überblick über Brüche habe ich vor ein paar Tagen Glück-Wunsch-Formeln des Typs Hals- und Beinbruch betrachtet, heute sind die tatsächlichen Brüche, die Frakturen, an der Reihe. (Medizinische Fachtexte habe ich nicht berücksichtigt und Brüche von drei oder mehr Knochen gehen in meiner Liste auf, daher ist dies wirklich vorrangig als Spielerei zu sehen.)
Auch hier habe ich nach Doppelformeln des Typs X- und Y-Bruch gesucht und war einfach mal neugierig, was man sich so alles gleichzeitig brechen kann. Bereinigt von den oben genannten Glück-Wunsch-Brüchen und von einigen Nicht-Frakturen (Leisten-, Wasserbruch etc.) erhalte ich eine Liste von 76 Knochen und Körperteilen, die man sich gebrochen hat (man möge mir Nicht-Mediziner verzeihen, wenn ich hier sinngemäß „gleiche“ Körperteile nicht erkannt habe):
Achsel, Arm, Augenboden, Augenbogen, Augendach, Augenhöhle, Becken, Bein, Brustbein, Brustwirbel, Daumen, Elle, Ellenbogen, Felsenbein, Ferse, Fersenbein, Fessel, Finger, Fuß, Fußgelenk, Gaumen, Gelenk, Genick, Halswirbel, Hand, Handgelenk, Hüfte, Jochbein, Jochbogen, Kahnbein, Kehlkopf, Kiefer, Kieferhöhle, Kieferhöhlenwand, Knie, Kniegelenk, Kniescheibe, Knöchel, Kreuzbein, Lendenwirbel, Mittelfuß, Mittelhand, Nasenbein, Nasenscheidenwand, Nebenhöhle, Oberarm, Oberkiefer, Oberschenkel, Oberschenkelhals, Rippen, Schädel, Schädelbasis, Schädeldach, Schambein, Schienbein, Schienbeinhals, Schienbeinkopf, Schlüsselbein, Schulter, Schulterblatt, Skischuhrand[bruch], Speiche, Sprunggelenk, Steißbein, Stirnbein, Unterarm, Unterkiefer, Unterschenkel, Vorfuß, Wade, Wadenbein, Wirbel, Wirbelsäule, Zehen, Zeigefinger, Zungenbein
Von allen möglichen n*(n-1)/2 = 2850 Kombinationen (mit n = 76) dieser Knochen und Körperteile treten im Corpus 174 Kombinationen in knapp 1400 Belegen auf, die ich jetzt nicht alle auflisten werde. Interessant fände ich, welches Ungeschick zu einem Brustbein- und Fersenbeinbruch, einem Jochbein- und Mittelhandbruch (Facepalm?) oder einem Nasenbein- und Steißbeinbruch führen konnte. Nach einigen Träumereien über diese nicht wirklich lustigen Gebrechen noch ein Blick auf die Top-Frakturen:
Mit 908 Belegen unangefochten auf Platz 1 liegt der Bruch von Schien- und Wadenbein, gefolgt vom Bruch von Jochbein und Nasenbein mit nur noch 50 Belegen. Auf Platz 3 ist der Bruch von Kiefer und Nasenbein zu finden (34 Belege), den Sprung aufs Treppchen knapp verpasst hat der Bruch von Jochbein und Kiefer (30 Belege). Es folgen: Wadenbein und Knöchel (16), Schädel und Genick sowie Arm und Bein (je 15), Augenhöhle und Kiefer (12), Elle und Speiche sowie Oberschenkel und Unterschenkel (je 11). Alle anderen 164 Kombinationen treten weniger als 10mal auf, 97 nur je einmal.
Um jetzt doch noch die Kurve zur Sprache zu kratzen, werfe ich noch einen Blick auf die Kombinationen. Hinter den 908 Belegen eines gleichzeitigen Bruchs des Schienbeins und des Wadenbeins verbergen sich nämlich beachtliche 886 Belege für Schien- und Wadenbeinbruch und nur 22 Belege für die umgekehrte Reihenfolge Waden- und Schienbeinbruch. In den anderen Fällen sind die Unterschiede nicht mehr ganz so bombastisch, da wir uns dort ja nur noch im zweistelligen Bereich bewegen, aber deutlich sind sie teilweise immer noch:
Schien- und Wadenbeinbruch | 886 | Waden- und Schienbeinbruch | 22 |
Joch- und Nasenbeinbruch | 22 | Nasen- und Jochbeinbruch | 28 |
Kiefer- und Nasenbeinbruch | 23 | Nasenbein- und Kieferbruch | 11 |
Kiefer- und Jochbeinbruch | 18 | Jochbein- und Kieferbruch | 12 |
Wadenbein- und Knöchelbruch | 6 | Knöchel- und Wadenbeinbruch | 10 |
Schädel- und Genickbruch | 5 | Genick- und Schädelbruch | 10 |
Arm- und Beinbruch | 14 | Bein- und Armbruch | 1 |
Augenhöhlen- und Kieferbruch | 7 | Kiefer- und Augenhöhlenbruch | 5 |
Ellen- und Speichenbruch | 11 | Speichen- und Ellenbruch | 0 |
Ober- und Unterschenkelbruch | 9 | Unter- und Oberschenkelbruch | 2 |
Während beim Joch- und Nasenbeinbruch sowie beim Augenhöhlen- und Kieferbruch fast gleiche Anteile vorliegen (und diese daher im Folgenden ausgeklammert werden), haben wir beim Ellen- und Speichenbruch ein kaum schlagbares Verhältnis von 11:0 für die genannte Variante.
Woran mag es liegen, dass die eine Formulierung häufiger gewählt wird als die andere? Ohne Literatur in dieser Hinsicht gewälzt zu haben, überprüfe ich mal folgende Kriterien (die gerne in den Kommentaren ergänzt oder mit Hinweisen auf Literatur ausgebaut werden dürfen):
— X steht vor Y, weil X im Alphabet vor Y liegt: trifft 7x zu, trifft 1x (Kiefer- und Jochbeinbruch) nicht zu
— X steht vor Y, weil X kürzer ist als Y (~ Behaghelsches Gesetz der wachsenden Glieder): trifft 3x zu bei Silbenzählung (z.B. Schien- und Wadenbeinbruch: Schienbein = 2, Wadenbein = 3), trifft 6x zu bei Phonemzählung (z.B. /ʃi:nbaen/ = 6, /va:dənbaen/ = 8)
— X steht vor Y, weil X im Körper weiter oben liegt als Y (vgl. Abbildung unten): trifft nur 2x deutlich zu (bei Arm- und Beinbruch sowie Ober- und Unterschenkelbruch), was aber nicht bedeutet, dass das Gegenteil der Fall wäre: Überwiegend ist die Anatomie m.E. irrelevant, da beide gebrochenen Körperteile beieinander oder sehr nah beisammen liegen.
— … weitere Kriterien?
Die sprachlichen Kriterien Alphabet und Phonemlänge sind in diesem winzigen Beispiel beide leidlich geeignet, die Anordnung der Formelelemente zu erklären. Außersprachliche, anatomische Gründe scheinen hier keine Rolle zu spielen. Allerdings handelt es sich nur um wenige Beispiele und auch nur um kleine Zahlen. Aber man muss eben nehmen, was man kriegt.
Bis ich mehr Daten bekomme, wünsche ich erstmal einen guten Rutsch mit möglichst wenigen Brüchen. Frohes Neues!
(Abbildung auf der Grundlage einer Grafik aus Wikimedia Commons, die von Benutzer Furfur unter Lizenz CC BY-SA 3.0 veröffentlicht wurde; modifiziert und unter derselben Lizenz zur Verfügung gestellt von mir, M.M.)
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