Piłka nożna und Футбол — zwei wichtige Ausdrücke in den nächsten Wochen, insbesondere für Mitmenschen, die nach Polen und/oder die Ukraine fahren, um sich dort Fußball (das bedeuten nämlich die beiden Ausdrücke) anzusehen. Mit im Handgepäck wahrscheinlich: ein Wörterbuch (mindestens). Aber wie schlägt man im polnischen oder ukrainischen Teil eines zweisprachigen Printwörterbuchs nach? Welche Unterschiede gibt es zum deutschen Wörterbuchteil?
Polnisch und Ukrainisch sind slawische Sprachen (im Gegensatz zum Deutschen, das eine germanische Sprache ist). Im Vokabular und der Grammatik haben die beiden Sprachen Gemeinsamkeiten — in der Verschriftung unterscheiden sich beide Sprachen aber ganz wesentlich: Das Polnische wird, wie das Deutsche, mit einem lateinischen Alphabet geschrieben, das Ukrainische mit einem kyrillischen Alphabet (wie das Russische).
Wer also als Deutscher ein polnisches Wort nachschlagen will, hat es noch verhältnismäßig leicht, da uns die meisten Buchstaben (zumindest von der Grundform her) bekannt sind: Aa, Ąą, Bb, Cc, Ćć, Dd, Ee, Ęę, Ff, Gg, Hh, Ii, Jj, Kk, Ll, Łł, Mm, Nn, Ńń, Oo, Óó, Pp, Rr, Ss, Śś, Tt, Uu, Ww, Yy, Zz, Źź, Żż; in Fremdwörtern auch Qq, Vv, Xx, die wie im Deutschen einsortiert sind. Wie man sieht, haben einige Buchstaben Zusätze, sog. diakritische Zeichen wie Haken oder Akzentzeichen, mit denen Ausspracheunterschiede zum zugrundeliegenden Laut angezeigt werden (so wie im Deutschen die Umlaut-Punkte ‚Trema‘, die es im Polnischen nicht gibt). Aber während in deutschen Wörterbüchern üblicherweise die Umlaute bei den nicht-umgelauteten Zeichen eingeordnet werden, werden im Polnischen die Buchstaben mit Diakritika gesondert behandelt: So stehen etwa alle Wörter, die mit Ł oder Ź beginnen, nach allen Wörtern, die mit L oder Z beginnen. Und die piłka steht erst nach dem pilot, denn o kommt zwar alphabetisch nach k, aber l kommt eben vor ł. (Umso erstaunlicher, dass etwa PONS Kompaktwörterbuch Polnisch das polnische Alphabet irgendwo im Nachspann versteckt und zur Anordnung der polnischen Lemmata nichts erklärt — man geht wohl davon aus, dass die Benutzer das schon können.)
Wer in einem ukrainischen Wörterbuch etwas nachschlagen will, hat ganz andere Probleme: Dazu muss man nämlich erst einmal das für die meisten vermutlich unbekannte ukrainische Alphabet lernen: Аа, Бб, Вв, Гг, Ґґ, Дд, Ее, Єє, Жж, Зз, и, Іі, Її, Йй, Кк, Лл, Мм, Нн, Оо, Пп, Рр, Сс, Тт, Уу, Фф, Хх, Цц, Чч, Шш, Щщ, ь, Юю, Яя. Und als wäre das noch nicht genug, verändern einige Buchstaben ihre Form vollkommen, wenn sie kursiv gesetzt bzw. in Schreibschrift geschrieben werden: <г> wird zu <г>, <д> wird zu <д>, <и> wird zu <и>, <т> wird zu <т>. Das muss man erst gedanklich rückgängig machen, bevor man das entsprechende Wort im Wörterbuch nachschlagen kann.
Vorteile hat hier, wer einmal Russisch gelernt hat, denn bei den beiden Alphabeten gibt es Überschneidungen — allerdings auch einige „falsche Freunde“, so wird etwa mit dem ukrainischen <Г> der Lautwert /h/ angezeigt, mit dem russischen <Г> der Lautwert /g/, der im Ukrainischen mit dem <Ґ> bezeichnet wird.
Auch das russische Alphabet ist aber im Rahmen dieser Europameisterschaft von Bedeutung: Аа, Бб, Вв, Гг, Дд, Ее, Ёё, Жж, Зз, Ии, Йй, Кк, Лл, Мм, Нн, Оо, Пп, Рр, Сс, Тт, Уу, Фф, Хх, Цц, Чч, Шш, Щщ, Ъъ, Ыы, Ьь, Ээ, Юю, Яя. Die Veränderungen bei Kursiv-/Schreibschrift gibt es auch hier.
Warum ist nun das russische Alphabet auch relevant? Obwohl seit der Unabhängigkeit der ehemaligen Sowjetrepublik Ukraine im Jahr 1991 Ukrainisch die die einzige offizielle Amtssprache ist, ist das Russische aus historischen Gründen immer noch weit verbreitet: Während im Westen der Ukraine, z.B. in L’viv (Львів), wo Deutschland auf Portugal trifft, ukrainisch gesprochen wird, spricht man im Osten des Landes, z.B. in Charkiw (Харків), wo das Spiel Deutschland-Niederlande stattfinden wird, überwiegend russisch, und auch russische Schrift ist im Alltag anzutreffen. Daher wurde — man erinnert sich vielleicht — vor kurzem nach wüsten Parlamentsprügeleien beschlossen (allerdings noch nicht abschließend), dass Russisch auch offiziell zweite Amtssprache in der Ukraine werden soll.
Der gut vorbereitete Fußballtourist kennt sich also am besten in vier Alphabeten aus, um während der EM im Wörterbuch Rat suchen zu können: 1) im polnischen für Polen, 2) im ukrainischen für die Ukraine, 3) im russischen auch für die Ukraine — und natürlich 4) im deutschen Alphabet, um im deutschen Wörterbuchteil nach einem Ausdruck zu suchen, dessen Übersetzung man dem Gegenüber dann mehr oder weniger flüssig vorlesen (oder einfach zeigen) kann. Und auch, wer papierlos, nur noch mit Smartphone unterwegs ist, sollte sich zumindest vorher einmal ansehen, wie ein polnisches Ł oder ein russisches/ukrainisches Ф bei der Wörterbuch-App einzugeben sind.
Im Vergleich zu den Änderungen, die unsere Buchstaben erfahren, wenn sie nicht aufrecht, sondern kursiv oder kurrent geschrieben werden, fallen die kyrillischen Besonderheiten kaum auf (selbst wenn man noch die südslawischen Varianten hinzunimmt). Außerdem sind dafür im Kyrillischen die Unterschiede zwischen Groß- und Kleinbuchstaben überwiegend marginal – eher so wie bei unseren Kapitälchen.