Ich bin ja auch nur ein Mensch. Zu manchen Sachen habe ich eine bewusst rational begründete Meinung und manche Sachen gefallen mir auch einfach so. Oder auch nicht. Das gilt für Kinofilme, Speisen, Frisuren, und auch — ja, ich, der ich mich gerne als deskriptiven Linguist bezeichne, gebe es zu — für die Sprache. Zu den sprachlichen Dingen, die mir auf Anhieb eher weniger gefallen haben, gehörte die Verwendung von -like- in deutschen Sätzen. „Ich habe das geliked“ — mittlerweile bin ich offensichtlich schon zu alt, um das ohne zumindest einen ganz leisen Unwillen zum einen Ohr rein-, und zum anderen wieder rausziehen zu lassen. Dazu muss ich allerdings sagen: Facebook ist nicht einmal ein faszinierender Teil meines Lebens, und mein Leben ist es schon gar nicht (wer hätte gedacht, dass ich noch einmal Roland Koch sinngemäß zitiere … wie gesagt, ich werde alt). Wenn ich in Facebook auf „like“ klicke (dass ich die Spracheinstellungen auf Englisch habe, war mir bis zu dieser Anglizismus-Wahl gar nicht recht bewusst), dann ist „like“ ein ziemlich isoliertes Wort, das mich nicht in meinen Gewohnheiten stört, und auch die zugehörigen Sätzchen („x people like this“) sind ja überhaupt nicht anstößig. Mit Menschen, die Sätze sagen wie „jede einzelne Jeans des Unternehmen kann vom Nutzer geliked werden“ (facebookmarketing.de) habe ich offensichtlich nichts zu tun, deshalb kam dieses liken etwas unvorbereitet. Und den graphematisch eingedeutschten Vorschlag leiken, der hier noch zur Alternative steht, finde ich ungefähr so schön wie vor fünfzehn Jahren die reformierte Form Ketschup. Also gar nicht. Aber im Gegensatz zu anderen Zeitgenossen, die nicht fressen, was sie nicht kennen, schnuppere und probiere ich doch ein bisschen und schaue, ob ich an einer ungewohnten, neuen Sprachblüte nicht doch auch Gefallen finden kann. Im Fall von liken ist das der Fall. Und das kam so:

Obwohl ich, wie gesagt, nicht unbedingt täglicher Dauergast bei Facebook bin, weiß ich doch, dass man dort in der deutschen Version auf den Gefällt mir-Button drückt, um etwas zu liken. Meine allererste Reaktion war also „wieso liken, gibt doch schon gefällt mir“. Gefällt mir ist aber nicht ausreichend für alles, was man in diesem Kontext ausdrücken möchte. Dazu später mehr, zunächst ein Absatz zu der Like-Funktion.

Ich habe hier keine etymologische Ausarbeitung mit Erstbeleg und sonstigen schönen, aber in der Recherche wahnsinnig aufwendigen Daten zu like (weder im allgemeinen, noch im Facebook-Sinn) im Englischen oder liken/geliked im Deutschen. Was ich habe, sind aber ein paar Rahmendaten. Der erste Beleg für eine Like-Funktion in einem Internetangebot, den ich gefunden habe, ist aus einem elektronischen Reprint einer Meldung vom Oktober 2004, die sich auf eine Seite namens StumbleUpon (www.stumbleupon.com) bezieht:

As a stumbler, you may also rate the sites that are presented: either „I like it!“ (thumbs-up) or „Not for me“ (thumbs-down). […] And stumblers are encouraged to add new links all the time by hitting the „I like it!“ button as they browse […]. (melbpc.org.au)

Auch auf anderen Seiten gab es Like-Funktionen schon relativ bald, etwa bei einem Angebot namens CCHits, von dem ein Screenshot und eine entsprechende Meldung vom 30.05.2006 zu finden sind. Google experimentierte spätestens 2007 mit einem entsprechenden Button bei seiner Suche (googlesystem.blogspot.com, 28.11.2007). Facebook schließlich führte den Like-Button am 10.02.2009 ein, dieser hieß vermutlich in der deutschen Version auch damals schon Gefällt mir-Button (das schließe ich jedenfalls aus einer Meldung in der Welt vom Dezember 2009). Die neue Version des Like-Buttons von Facebook, der dann auch auf Facebook-externen Seiten eingebunden werden konnte, wurde wohl am 16.06.2010 implementiert. Facebook hat das Liken also nicht erfunden, aber die überwiegende Zahl der Google-Treffer in diesem Kontext beziehen sich auf Facebook, so dass man ziemlich sicher davon ausgehen kann, dass hier die Quelle der Beliebtheit ist. (Anmerkung: Im September 2009 befragte die Seite yigg.de ihre Benutzer, ob ihr entsprechender Button „YiGG it!“, „Mag ich“ oder „Like“ heißen solle. Wenn ich die Ergebnisse (1 und 2) richtig interpretiere, lag am Schluss „Mag ich“ knapp vor „YiGG it!“ und „Like“ an letzter Stelle. Kann aber auch sein, dass ich das Ergebnis nicht verstanden habe, die Umfrage ist nämlich eher ungewöhnlich dargestellt.)

Suchergebnisse für Formen von liken finde ich für das Deutsche erst 2010, halte es aber in Anbetracht dessen, dass es die Like-Buttons schon länger gibt und deutsche Internetnutzer ja auch englischsprachige Seiten nutzen, nicht für ausgeschlossen, dass schon früher jemand Dinge „geliked“ hat. Die Zahl der Treffer im Google-News-Archiv sind mit neun für liken und sechs für geliked im Jahr 2010 (bereinigt von anderen Verwendungen) sehr überschaubar, aber die Google-Suchtreffer für liken, beschränkt auf site:.de, sind für das Jahr 2010 mit fast 15000 im Vergleich zu 2009 (ungefähr 425 Treffer) stark angestiegen (beide Trefferlisten wurden von mir nicht von falschen Ergebnissen bereinigt, eine grobe Durchsicht der ersten x-hundert Einträge lässt aber die Einschätzung zu, dass die „Facebook-Bedeutung“ von liken 2010 den Großteil der Ergebnisse ausmacht).

Eine Übersicht über die Flexionsformen zeigt, dass liken noch nicht komplett morphologisch integriert ist, aber in den Formen des Präsens Indikativ Aktiv vollständig belegt ist (hier nach meinen Funden, über Google leicht zu überprüfen):

  • ich like
  • du likest; selten likst: „Du likst immer meine Gruppen“ (mirgefällts.de)
  • er/sie liked und (seltener) er/sie liket; nicht: er/sie likt/likd (wie er/sie schweigt)
  • wir liken
  • ihr liked und (seltener) ihr liket; außerdem ein Treffer: „hoffe ihr likt das update“ (beepworld.de)
  • sie liken

Die Partizipform geliked ist deutlich häufiger als geliket, letztere kommt aber auch vor. Es zeigt sich also eine Mischung englischer und deutscher Flexionssuffixe; die englischen treten in den Fällen auf, in denen an dieser Stelle auch formale Gleichheit mit dem englischen Flexionsparadigma  vorliegt (er/sie/ihr liked, he/she/you liked). Dass das e fast nie ausfällt, liegt wahrscheinlich daran, dass durch den Ausfall des e die formale Ähnlichkeit mit der englischen Vorlage verringert würde und dadurch die korrekte Aussprache evtl. nicht mehr sichergestellt wäre (hier hätte leiken seine Chance). Like ist außerdem als Ganzes Stammmorphem und bleibt als solches möglichst erhalten.

Nun aber zu den Vorteilen von liken gegenüber gefällt mir: Zum einen ist beim Verb gefallen immer der-/die-/dasjenige, der/die/das gefällt, Subjekt des Satzes: [Der Kommentar]-NOM gefällt [mir]-DAT. Ich, der ja der bin, dem etwas gefällt, stehe im Dativ. Sätze wie „man kann Beiträge liken, teilen, Kommentare hinterlassen“ (nodch.de) oder „Bitte ‚liked‘ die Petition für […]“ (playwii.de) können mit gefallen gar nicht (oder nur äußerst umständlich) gebildet werden. Man bräuchte natürlich nicht gefallen nehmen, im letzten Fall ginge etwa auch unterstützen, in anderen Fällen mögen, aber der Punkt ist: Weder gefallen noch unterstützen oder mögen sind in allen Fällen einsetzbar, liken aber eben schon. (Diese syntaktische Argumentation basiert in Teilen auf einer internen und anonymisierten Jury-Korrespondenz, ich kann also nicht alle Credits dafür einsacken, kann aber auch die Quelle nicht eindeutig nennen.)

Zum anderen hat liken noch einen anderen wesentlichen Vorteil gegenüber gefallen, nämlich einen, den man mit den semantischen Rollen beschreiben kann: Bei gefallen ist derjenige, dem etwas gefällt, nicht in einer aktiven Rolle. Man würde von der semantischen Rolle EXPERIENCER sprechen (jemand, der etwa einer Empfindung ausgesetzt ist, die von einem STIMULUS verursacht wird). Bei liken spielt derjenige, der liked, meiner Ansicht nach eine deutlich aktivere Rolle, die des AGENS. Etwas liken heißt immer auch, etwas aktiv zu tun, etwas „aktiv zu mögen“, seinem „Gefallen“ Ausdruck zu verleihen (und sei es nur durch das Drücken eines Buttons). Auch dies könnte man mit reichlich gutem Willen auch anders ausdrücken, etwa durch für gut befinden, jedoch ist „Ich befinde das für gut“ bei weitem sperriger als „Ich like das“. Und selbst wenn man etwa bei mögen dem Subjekt eine aktivere AGENS-Rolle zugestehen wollte, wären Sätze wie „Ich habe das gemocht“ durch die Zweideutigkeit deutlich schlechter geeignet als „Ich habe das geliked“ (oder: gar nicht geeignet, denn eigentlich ist dieser Satz nicht zweideutig, sondern eindeutig ganz anders als das, was mit liken ausgedrückt wird). Dasselbe gilt für gut finden, einer kürzeren, weniger sperrigen und eigentlich sonst ganz passenden Form anstelle von für gut befinden. Aber auch „Ich habe das gut gefunden“ ist als Ersatz für „Ich habe das geliked“ aufgrund der perfektiven Bedeutung (was das „Gefallen“ angeht: „… und finde es jetzt nicht mehr gut“) nicht geeignet.

Diese letzten genannten Punkte fand ich so spannend, dass ich meine anfängliche Abneigung gegenüber liken über Bord geworfen habe und liken jetzt dahingehend richtig like. Allerdings hat das Wort doch auch noch Mankos: Die schwankende Flexionsmorphologie wäre eines, die Tatsache, dass die Verknüpfung mit Facebook noch sehr stark ist und das Wort nicht oder kaum in anderem Kontext verwendet wird, ein zweites. Stilistische Bauchschmerzen mag es bei dem einen oder der anderen auch noch geben, siehe:

Mir tut es im Mauszeiger weh wenn ich I like it klicken soll, um der Gruppe “Wir zeigen Flagge für unsere gefallenen Soldaten” beitreten soll. Gefallene Soldaten und I like it! Das geht nicht! Da möchte ich doch lieber mit dem Dislike-Button (gibts nur leider nicht) der Gruppe beitreten. (prszene.de)

Aber das kann ja noch werden.

PS: In Dudens Szenesprachenwiki gibt es einen Eintrag zu liken seit dem 12.01.2011. Aber der gilt nicht für die Wahl zum Anglizismus 2010 ;-)