Es passiert ja nicht mehr so häufig, dass mich in der deutschen Flexionsmorphologie irgendetwas wirklich überrascht. Daher fand ich schon erstaunlich, was ich im neuesten Post des Blogs von „Dr. Bopp“ bei canoo.net erfahren habe: Die Mehrzahl von Supernova ist im Deutschen nicht Supernovas (wie ich freimütig gestehe angenommen zu haben), sondern Supernovä — ganz richtig gesehen, mit ä hinten (oder Supernovae).

Diese Art der Pluralbildung mit war mir tatsächlich völlig neu. Die Pluralbildung auf -ae ist natürlich jedem, der durch den Lateinunterricht kommen musste, vertraut. Dafür finden sich auch ausreichend — wenn auch nicht immer alltagssprachliche, sondern häufig fachsprachliche — Beispiele, im Duden-Rechtschreibwörterbuch und Fremdwörterbuch unter anderem: Causa, -ae; Cornea, -ae; Fibula, -ae (und Fibuln); Klavikula, -ae; Kopula, -ae (und Kopulas); Pulpa -ae; oder Vita, -ae (und Viten).

Dafür, dass geschrieben werden kann (die Aussprache des Endsilbenvokals ist in beiden Fällen dieselbe), finden sich neben Supernova noch das Grundwort Nova und das damit gebildete Pränova, außerdem etwa Konjunktiva, -vä (Bindehaut); Kutikula, -lä (und Kutikulas — bei dem damit verlinkten Pellicula aber nur -ae); Nubekula, -lä; Ultima/Pänultima, -mä (und Ultimen/Pänultimen), Quotidiana, -nä (oder Quotidianen) und ein paar weitere. Mit der Ultima und der Pänultima sind sogar sprachwissenschaftliche Termini dabei … wenn ich auch bei Google-Books keine brauchbaren Belege für die Endung auf finden kann.

Eine COSMAS-Suche mit dem Wort Supernova zeigt, dass in den dort aufgenommenen Texten nur fünf Treffer für Supernovä zu finden sind, aber 306 Treffer für Supernovae und 40 Treffer für Supernovas. Supernovae ist in den Duden-Wörterbüchern gar nicht aufgeführt, aber dafür etwa im Pons-Rechtschreibwörterbuch oder bei Bertelsmann/Wahrig (wissen.de) — wo aber die ä-Variante nicht aufgeführt ist. Auch die Google-Treffer stimmen mit den COSMAS-Ergebnissen überein: Für „(die OR diese) Supernovä“ finde ich lediglich „ungefähr 20“ Treffer, für dieselbe Suche mit Supernovae „ungefähr 7170“ Treffer, für das durch keines der von mir konsultierten Wörterbucher gedeckte Supernovas immerhin „ungefähr 2220“ Treffer. Mit „(die OR diese)“ sollten englische Treffer ausgeschlossen werden, denn im Englischen heißt der Plural von Supernova regulär Supernovas, was die Ergebnisse verfälschen würde.

Eine Google-Suche, bei der die oben genannten Wörter auf -a, -ae mit einem ä-Plural versehen wurden, also „(die OR diese) (Causä OR Corneä OR Fibulä OR Klavikulä OR Kopulä OR Pulpä)“ liefert zwei Fälle mit Klavikulä, die evtl. (aber aufgrund der geringen Frequenz kaum) eine Übertragbarkeit des ä-Plurals annehmen lassen. Die dem Wörterbuch entsprechenden Formen auf -ae kommen bei weitem häufiger vor. Mit „(die OR diese)“ sollten diesmal lateinische Fundstellen ausgeschlossen werden.

Eine Google-Suche, bei der die oben genannten Wörter auf -a, -ä mit einem ae-Plural versehen wurden, also „(die OR diese) (Konjunktivae OR Kutikulae OR Nubekulae OR Pänultimae OR Quotidianae)“ liefert ebenfalls eine gewisse Anzahl an Treffern, die darauf hindeuten, dass anstelle von auch -ae geschrieben werden kann (oder zumindest geschrieben wird). Erstaunlicherweise sieht die Situation bei einer Suche nach den dem Wörterbuch entsprechenden Formen, also „(die OR diese) (Konjunktivä OR Kutikulä OR Nubekulä OR Pänultimä OR Quotidianä)“ so aus, dass nur (!) zu Pänultimä ein Ergebnis (aus dem Wiktionary) gefunden wird. Es macht also den Eindruck, als sei der ä-Plural wirklich kaum verbreitet (was schön zu meinem vorhergehenden Post passt: Plural selten).

Natürlich müsste das alles noch anhand sauberer Corpora, insbesondere auch fachsprachlicher Corpora, überprüft werden. Meine Hypothese ist allerdings gebildet: Der ä-Plural kommt tatsächlich so selten vor, dass es kaum verwunderlich ist, dass ich erst heute auf ihn gestoßen bin. Darauf weist auch die Tatsache hin, dass in manchen Wörterbüchern die Form auf , in anderen die Form auf -ae verzeichnet ist. Die ä-Formen können evtl. auch durch -ae ersetzt werden, die Ersetzung in die andere Richtung ist, vorsichtig formuliert, ungewöhnlich. Allerdings lässt sich auch nicht überall so einfach ein Plural-s anhängen wie an die Supernova, bei der diese Form schon relativ weit verbreitet ist. Bei den anderen Wörtern auf -a, -ä kommt das jedoch viel seltener vor, wie die letzte Suche zeigt.

PS: Ich bin nicht der Michael, dem sich in den Bopp-Blog-Kommentaren die Haare sträuben. So viel kann ich schon  noch vertragen …