Der Nachbarfußballverein freut sich über den Aufstieg in die Erste Bundesliga, der nach dem Sieg von Dresden über Düsseldorf so gut wie sicher ist, denn

Der derzeit drittplazierte SC Paderborn hat aufgrund der deutlich besseren Tordifferenz der Büskens-Truppe nur noch mehr als theoretische Chancen, am Kleeblatt vorbei zu ziehen. (greuther-fuerth.de, 17.04.2012, 0:20 Uhr; Hervorhebung M.M.; = (1))

Man will wohl die theoretischen Chancen wirklich so gering wie möglich halten, sonst hätte man nicht versucht, sie quasi doppelt einzuschränken. Den vermutlich gemeinten Sinn ergäbe sowohl die Formulierung

Der derzeit drittplazierte SC Paderborn hat aufgrund der deutlich besseren Tordifferenz der Büskens-Truppe nur mehr theoretische Chancen, am Kleeblatt vorbei zu ziehen (= (2a))

als auch die Formulierung

Der derzeit drittplazierte SC Paderborn hat aufgrund der deutlich besseren Tordifferenz der Büskens-Truppe nur noch theoretische Chancen, am Kleeblatt vorbei zu ziehen (= (2b)).

In (2a) liegt mit nur mehr ein Ausdruck vor, der nach Duden der „Wortart“ Partikel (m.E. am ehesten Gradpartikel) zuzuordnen ist (auch wenn ich es immer etwas befremdlich finde, komplexe Ausdrücke einer Wortart zuzuordnen; im Grunde ist das doch eher eine funktionale Bestimmung, auch wenn wir hier sogar eine zusammengeschriebene Zweitform kennen — aber das ist eine andere Geschichte und eigentlich einen eigenen Aufsatz wert). Nur noch in (2b) erfüllt mit seiner ebenfalls einschränkenden Bedeutung dieselbe Funktion, wird auch im o.g. Duden-Artikel als Bedeutung und Synonym zu nur mehr genannt.

Interessant ist, dass das nur in (2b) für die Bedeutung (und die Syntax) entscheidend ist. Der Satz ohne nur,

Der derzeit drittplazierte SC Paderborn hat aufgrund der deutlich besseren Tordifferenz der Büskens-Truppe noch theoretische Chancen, am Kleeblatt vorbei zu ziehen (= (3a)),

würde (Unkenntnis der Bedeutung von Büskens-Truppe vorausgesetzt) die Chancen doch deutlich höher einstufen als von den Fürthern gewünscht. Außerdem wäre es hier möglich, das noch als erststellenfähiges Adverb (Wortart) und Adverbial (syntakt. Funktion) mit temporaler Bedeutung zu analysieren:

Noch hat der derzeit drittplazierte SC Paderborn aufgrund der deutlich besseren Tordifferenz der Büskens-Truppe theoretische Chancen, am Kleeblatt vorbei zu ziehen (= (3b)).

Mit der Partikelkonstruktion wäre das nicht möglich:

*Nur noch / *Nur mehr hat der derzeit drittplazierte SC Paderborn aufgrund der deutlich besseren Tordifferenz der Büskens-Truppe theoretische Chancen, am Kleeblatt vorbei zu ziehen.

Allerdings erhalten wir mit dem Adverb-Noch die Chance, das bisher vernachlässigte mehr als aus dem Original im Satz unterzubringen (sinnverfälschend, aber syntaktisch korrekt):

Der derzeit drittplazierte SC Paderborn hat aufgrund der deutlich besseren Tordifferenz der Büskens-Truppe noch mehr als theoretische Chancen, am Kleeblatt vorbei zu ziehen. [Auch: Noch hat der derzeit drittplazierte SC Paderborn … mehr als theoretische Chancen, am Kleeblatt vorbei zu ziehen.]

Dabei hat dieses mehr als ebenfalls eher Gradpartikelcharakter und graduierende Funktion und ist nicht wortwörtlich als Komparativkonstruktion zum Adjektiv viel zu analysieren.

In (2a) eingesetzt, würde das mehr als zu einer in sich widersprüchlichen Formulierung führen:

Der derzeit drittplazierte SC Paderborn hat aufgrund der deutlich besseren Tordifferenz der Büskens-Truppe nur mehr als theoretische Chancen, am Kleeblatt vorbei zu ziehen;

in (2b) eingesetzt, hätten wir wieder den Originalsatz (1).

Eine weitere denkbare Variation wäre diese:

Der derzeit drittplazierte SC Paderborn hat aufgrund der deutlich besseren Tordifferenz der Büskens-Truppe noch mehr theoretische Chancen, am Kleeblatt vorbei zu ziehen.

Hier wäre noch wiederum eine verstärkende Partikel und die Chancen wären mehr, was diesmal tatsächlich eine Steigerungsform zu viel wäre — und natürlich der intendierten Bedeutung entgegenläuft.

Viele kleine Wörter also — und kaum eins davon, das die Bedeutung des Satzes nicht auf den Kopf stellen könnte, je nachdem, ob man es weglässt oder umstellt. Da kann man, wie der Fürther Online-Redakteur CB, in der Aufstiegseuphorie schon mal etwas zu viel des Guten wollen. Für die nette Übung vielen Dank.

Vom Lexikographieblog gehen abschließend jedenfalls Glückwünsche ans Kleeblatt — und in der nächsten Saison werden wir dann sehen, wer Euch beim Frankenderby vom Platz fegt … ;-)