Ich komme an dieser Stelle nicht umhin, ein paar — eher distanziert-amüsierte als wissenschaftlich-analysierende — Worte zu einem kürzlich erstandenen Jugendsprach-Wörterbuch zu verlieren bzw. daraus zu zitieren; genau gesagt handelt es sich um folgenden Titel:

Margot Heinemann: Kleines Wörterbuch der Jugendsprache. 2., unveränd. Auflage. Leipzig: VEB Bibl. Institut, 1990 [1. Aufl. 1989].

Margot Heinemann: Kleines Wörterbuch der Jugendsprache. 2., unveränd. Auflage. Leipzig: VEB Bibl. Institut, 1990 [1. Aufl. 1989].

Das Buch versteht sich als „eine Sammlung von lexikalischen Einheiten, die zusammengenommen als eine Art Querschnitt von Jugendspezifika in der DDR anzusehen sind. Genauer gesagt sind es Jugendspezifika der 80er Jahre, da Jugendsprachliches einem relativ schnellen Wechsel unterworfen ist“ (Vorwort, S. 7). Zur Basis und Methodik findet man folgende Aussage:

„Das zugrunde gelegte Material stammt aus verschiedenen Bereichen: aus Studentenarbeiten, aus Funk und Fernsehen, Leserbriefen, Privatbriefen und — seltener — aus der Belletristik. Dabei wurden unterschiedliche Methoden angewandt: Befragungen durchgeführt, Tonkonserven aufgenommen und vor allem sehr viele Hörbelege gesammelt.“ (Vorwort, S. 8)

Unter anderem finden wir dort bereits einen Eintrag für „cool“ (S. 85), positiv bezogen auf Personen und auf Musik. Dazu ist zu sagen, dass in den DDR-Rechtschreibduden „cool“ gar nicht verzeichnet ist; im BRD-Duden steht „cool“ ab der 18. Aufl. (1980): ‚ugs. für ruhig, überlegen, kaltschnäuzig‘; erst ab der 22. (längst gesamtdeutschen) Aufl. (2000) dann auch: ‚Jugendspr. für hervorragend‘.

Wir lernen auch, dass „Joint“ in der DDR-Jugendsprache nicht für eine THC-haltige, sondern für eine normale ‚Zigarette‘, aber auch für ‚Kaffee‘ (!?) gestanden hat (S. 19); oder dass „Über-„ damals schon ein fröhlich verwendetes ‚positiv wertendes Wortbildungselement bei Substantiven‘ (S. 91) war, bevor es im Englischen angekommen ist.

Wir erfahren desweiteren, dass

„Chaote“ die Synonyme „Buschplahudi“, also „Gesichtseimer“ hat, also als ’negative Anrede bzw. Schimpfwort für Jungen‘ gebraucht wird (S. 34), dass aber

„Chaote“ auch „urster Kunde“, also „Scheich“ bedeutet, also positiv für ‚Junge, junger Mann‘ stehen kann (S. 43), wenn ich den Eintrag richtig interpretiere, worüber ich nicht ganz sicher bin.

Das auch heute noch von vielen spaßig verwendete, von vielen anderen gehasste „Tschüssikowski“ ist hier bereits als Jugendwort lexikographisch bearbeitet.

Wir lesen jede Menge amüsanter Beispielsätze wie „Der hört nichts, der poft ’ne satte Wimper“ (‚fest schlafen‘), „Wir gehen noch in eine Destille eine Ziehung machen“ (‚(Bier) trinken gehen‘) oder „Das sind bärische Werke, die neuen Musiktitel!“ (’sehr gute Lieder‘). Im Satz „Ich flipp‘ aus. Der Klaus kommt wirklich zu meiner Fete“ ist „Klaus“ allem Anschein nach ganz wertneutral als Vorname gebraucht — in einem heutigen Jugendsprachwörterbuch wäre das evtl. anders.

An manchen Stellen blitzt dann doch auch der Abstand der Autorin von der untersuchten Sprechergruppe hervor, man beachte etwa die Parenthese in folgendem Satz (im Anschluss an ein Dialogbeispiel):

„Das wäre an und für sich noch nicht bemerkenswert, wenn es sich nicht um Jugendliche gehandelt hätte, die mit überweiten Pluderhosen und mit blonden Strähnen (es waren Jungen!) eingefärbtem und mit Zuckerwasser oder Gel gestyltem Haarschopf auffällig genug waren.“ (S. 22)

Damit ist dann auch der Bogen zum Heute geschlossen, denn überweite Hosen und blonde Strähnchen haben sich ja ganz offensichtlich durchsetzen können, gerade und vor allem bei Jungen. Natürlich könnte man noch viel mehr Beispiele geben, aber ich will das Wörterbuch ja nicht ganz abtippen. Fazit zum Buch: im Großen und Ganzen ein sahne Ding, protoprima, fundamental!