Über Geld redet man nicht? Über Geld redet man natürlich. In der Top-10000-Liste des Leipziger „Wortschatz“-Projekts liegt „Geld“ deutlich vor „Arbeitslosigkeit“, und schon über Arbeitslosigkeit wird dauernd geredet. Aber wie wird „Geld“ eigentlich mit einem Adjektiv ausgedrückt? Man kennt „monetär“, „pekuniär“, „finanziell“, aber gibt es auch so etwas eigentlich Naheliegendes wie „geldlich“?

Ja, gibt es [duden.de]. Bereits das Mittelhochdeutsche Handwörterbuch von Matthias Lexer listet ein Adjektiv geltlich mit Beleg aus dem Jahr 1482 auf, auch im Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm gibt es einen Eintrag geldlich. In Dudens Orthographischem Wörterbuch steht „geldlich“ seit der 9. Auflage (1915). Trotzdem hat man ja (und man = ich) den Eindruck, dass dieses Wort nicht besonders häufig verwendet wird, weshalb ich mal wieder ein paar Zahlen aus dem DeReKo/COSMAS geleiert habe. Im Folgenden wird immer die Anzahl der Texte zugrundegelegt, in denen ein oder mehrere Vorkommen des jeweiligen Adjektivs enthalten sein können (Corpusauswahl: Alles außer Wikipedia, Suche nach allen Wortformen mittels Lemmatisierungsoperator):

Adjektiv Anzahl Texte
geldlich 242
pekuniär 2.135
monetär 8.051
finanziell 568.919
„in Geld“ 2.888

Wir sehen: Der Eindruck hat nicht getäuscht, „geldlich“ wird tatsächlich bei Weitem am seltensten verwendet; eindeutig am häufigsten sprechen wir von „finanziellen“ Angelegenheiten. Ich habe noch nach der Formulierung „in Geld“ gesucht, die in vergleichbarer Funktion verwendet wird, z.B. „jemanden in Geld entschädigen“ (§ 251 BGB) — aber wie man sieht, wird das auch nicht allzu häufig verwendet, und dabei sind noch Formulierungen wie „in Geld schwimmen“ usw. in den Zahlen enthalten.

Dabei steht „geldlich“ in der obigen Tabelle sogar — man möchte es kaum glauben — gut da. Das liegt an der Corpuszusammenstellung. Ein Blick auf die Textsortenverteilung zeigt nämlich, dass „geldlich“ da leicht aus der Reihe tanzt. Gezeigt wird die Verteilung auf die Textsorten „Bericht“, „Plenarprotokoll“ und „Kommentar“, die die drei am häufigsten belegten Kategorien sind (Einschränkung: Die größte Kategorie ist eigentlich „undefiniert“ mit 60–80% aller Texte, aber das hilft uns ja nicht viel weiter):

Textsortenverteilung für geldlich etc.

Textsortenverteilung für geldlich etc. im DeReKo (außer Wikipedia)

Während seine Synonyme jeweils am häufigsten in (Zeitungs-)Berichten vorkommen, wird „geldlich“ in 26% der Fälle in Plenarprotokollen verwendet — einer doch eher speziellen und nicht gerade alltäglichen Textsorte. „Geldlich“ ist also nicht nur insgesamt selten, sondern scheint auch, wenn es denn verwendet wird, eher auf bestimmte Kontexte konzentriert zu sein. — Ein bisschen erstaunlich, aber sicherlich Zufall ist, dass von den anderen Adjektiven jeweils 14% in Bericht-Texten stehen.

Ein paar Beispiele für die Verwendung von „geldlich“ in Plenarprotokollen, die auch klarmachen, dass „geldlich“ im Großen und Ganzen tatsächlich ein Synonym zu „finanziell“ (da dadurch ersetzbar) ist:

Wir werden alles dafür tun, dass in Zukunft nicht nur die Qualität der Bildungsabschlüsse sehr gut ist, sondern dass jeder junge Mensch in die Bildungsbereiche gehen kann, die seinem geistigen, nicht seinem geldlichen Vermögen entsprechen. [Protokoll der Sitzung des Parlaments Bayerischer Landtag am 25.01.2012]

Ich vermute einmal, dass es nur wenige Bereiche gibt, wo man Emotionen, wo man vor allem öffentliche Emotionen und wo man auch Skandalisierung fast automatisch und treffsicher erreichen kann, wie wenn man über geldliche Leistungen an Politiker und Mandatsträger redet. [Protokoll der Sitzung des Parlaments Bremische Bürgerschaft am 20.09.2007]

Die Diskussion hat gezeigt, dass eine nachhaltige Entwicklung etwas anders aussieht und nicht unbedingt nur mit einer geldlichen Förderung zu tun hat. [Protokoll der Sitzung des Parlaments Hessischer Landtag am 16.05.2002]

Ich will über Strukturen reden, und bei Strukturveränderungen sind wir einiges angegangen. Wir haben diese mehrjährige Zuwendungsgarantie gemacht. Wir haben sogar geldlich draufgesattelt. [Protokoll der Sitzung des Parlaments Hamburgische Bürgerschaft am 19.05.1999]

Die Interpretation, warum „geldlich“ im Vergleich zu „finanziell“, „monetär“ oder „pekuniär“ so spärlich verwendet wird, überlasse ich lieber anderen. Das Bankwesen ist ja eigentlich eher vom Italienischen geprägt als von französisch-lateinischen Ausdrücken. Vorläufiges Ergebnis bleiben daher die oben stehenden Zahlen.