(a) Eine nicht gerade unscheinbare Frau zog alle Blicke auf sich.
(a‘) Eine scheinbare Frau zog alle Blicke auf sich.
Nota bene: Das Gegenteil von unscheinbar ist nicht scheinbar.
Besser gesagt: Das Gegenteil von unscheinbar ist nicht mehr scheinbar: Im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm sind noch zahlreiche Belege und Lesarten für scheinbar gesammelt (u.a. „schön, prächtig; in die augen fallend, sichtbar, wahrnehmbar, deutlich erkennbar, ersichtlich“), in denen scheinbar in einem von scheinen ‚leuchten, glänzen‘ geerbten Bedeutungsrahmen verwendet wird. Auch im DWB steht aber bereits die Bedeutung „was nur dem scheine nach existiert, nicht wirklich, trügerisch, wesenlos, vergeblich, erdichtet u.s.w. diese bedeutung ist jetzt die üblichste“. Das Gegenteil von unscheinbar ist heute daher auffällig (oder vergleichbare Ausdrücke) – und die „typische“ Gegensatz-Wortbildung von auffällig, nämlich unauffällig, ist entsprechend ein Synonym von unscheinbar.
Scheinbar ganz logisch, oder?
Bitte nicht. Bitte nicht in einem Lexikographieblog „scheinbar“ wie „anscheinend“ verwenden.
Da stimmt was nicht. Ein Wort verändert nicht einfach so seine Bedeutung auf die Weise wie hier suggeriert. Daher gibt es zwei Möglichkeiten:
Entweder das ‚alte‘ „scheinbar“ wurde in Wahrheit anders ausgesprochen und war damit ein anderes Wort. Der DWB-Eintrag gibt auch andere Varianten an, oder im Wiktionary „scīnbāre“. Das sind andere Wörter!
Oder das ’neue‘ „scheinbar“ ist unabhängig vom alten entstanden, und das alte hat sich nur in der Form „unscheinbar“ erhalten.