Aus einer Laune heraus schaue ich mir momentan Doppelformeln mit Brüchen an, die im COSMAS-Corpus enthalten sind. Da gibt es unterschiedlichste Kombinationen, ein Teil davon ist motiviert von dem bekannten Wunsch Hals- und Beinbruch, der eigentlich zu jeder Zeit und bei jeder Gelegenheit verwendet werden kann. Zur Entstehung dieser Floskel wurde schon an andereren Stellen genug gesagt (siehe z.B. redensarten.net), hier nur so viel: Es handelt sich wohl um eine lautliche Umformung und semantische Neuinterpretation eines hebräischen Ausdrucks (Merke: „was nicht passt wird passend gemacht“).

Mit 179 Vorkommen ist Hals- und Beinbruch auch die häufigste derartige Formel im COSMAS-Corpus. Daneben finden sich Abwandlungen: Hals- und Nasenbruch sowie Hals- und Schriftbruch sind jeweils nur einmal enthalten und sind mit großer Sicherheit okkasionelle Bildungen und nur aus dem Kontext heraus verständlich. Hals- und Stimmbruch ist ebenfalls nur einmal zu finden, ist aber für den Bereich Chor bzw. Gesangsverein, in dem der Ausspruch verwendet wurde, gut vorstellbar. Relativ häufig kommt außerdem die Floskel Hals- und Tanzbeinbruch vor, jedoch stammen alle Treffer aus Ausgaben einer einzigen Zeitung, in der dies der Standard-Abschiedsgruß einer Veranstaltungsrubrik war. Nachtrag: Zwei weitere Variationen aus derselben Zeitung fallen mir gerade jetzt erst auf: Hals- und Hüftbruch sowie Hals- und Steissbeinbruch wird den tanzfreudigen Partygängern je einmal gewünscht.

Daneben finden sich noch andere, vergleichbare Doppelformeln ohne Hälse, die sich in unterschiedlichen Disziplinen mehr oder weniger etabliert haben:

Mast- und Schotbruch ist wohl die bekannteste Wendung neben dem Hals- und Beinbruch und mit 37 Fundstellen auch die häufigste unter diesen restlichen. Der Wunsch stammt aus der Sprache der Segler; der Mast ist wohl nicht weiter erklärungsbedürftig. Eine Schot ist eine Leine bzw. ein Tau, mit dem die Segel ausgerichtet werden können (*):

Daneben findet sich im Corpus auch dreimal der Wunsch Mast- und Schottbruch. Ein Schott ist eine Trennwand, die im Schiff die Ausbreitung eingedrungenen Wassers oder eines Feuers verhindern soll, bekannt auch aus der Redensart Die Schotten dichtmachen. Da so eine Wand auch bersten kann, klingt es logisch, dies mit Schottbruch zu bezeichnen. Nach traditioneller Lesart korrekt sind aber die Schreibung mit einem t und damit der Bezug auf die Schot: Auch bei Tauen (und damit bei Schoten) sagt man, dass sie brechen (Beleg).

Holm- und Rippenbruch wünscht man sich in der Fliegerei, und im Corpus fünfmal. Ein Holm ist im „Gerippe“ eines Flugzeugtragflügels das tragende Element. Die Rippen sind am Holm befestigt (Abb.) und dienen dazu, einwirkende Kräfte weiterzuverteilen. Bei Eintreten dieses frommen Wunsches müsste also ein Flugzeugflügel dran glauben. Unschöne Vorstellung.

Riemen- und Dollenbruch ist die Variante der Ruderer (dreimal im Corpus). Ein Riemen ist im Ruderboot das, was von Landratten als Ruder bezeichnet würde, und zwar nicht das Steuerruder, sondern das Paddel, um noch umgangssprachlicher zu werden (zur Unterscheidung von Riemen und Skull siehe den verlinkten Wikipedia-Artikel). Die Dolle ist die Haltevorrichtung, in die der Riemen so hineingelegt wird, dass er als Hebel genutzt werden kann, um vorwärts zu kommen (*):

Bricht also der Riemen oder die Dolle, kann sich der Ruderer nicht mehr vorwärts bewegen. Er kann sich nur noch im Kreis drehen oder muss sogar kentern.

Die Fahrradfahrer sind mit zwei guten Wünschen vertreten, die aber jeweils nur einmal belegt sind: Rad- und Achsenbruch sowie Speichen- und Rahmenbruch. Dass bei einem Fahrrad das Vorwärtskommen problematisch wird, wenn ein Rad bricht, klingt einleuchtend. Ich kann mir allerdings schwer bildlich vorstellen, wie das aussieht, wenn „das Rad“ eines Fahrrads bricht. Achsen wiederum gibt es mehrere: Die Vorder- und die Hinterradachse (womit Rad- und Achsenbruch möglicherweise ein Ganzes und ein Teil dieses Ganzen bezeichnet), aber auch die Pedalachse zur Verbindung der Tretkurbeln. Die Speichen sind als Verbindungsstreben zwischen Nabe und Felge ebenfalls Teil des Rades (im engeren Sinne), der Rahmen ist das Grundgerüst und auf ihn gibt es üblicherweise lebenslange Garantie. Ein Rahmenbruch wäre also schon fast etwas besonderes (*):

Inwieweit diese Wunschfloskeln unter Radfahrern aber tatsächlich gängig sind, lässt sich anhand der Corpusdaten aufgrund der geringen Vorkommenshäufigkeit nicht feststellen.

Abschließend noch zwei Wünsche, die ebenfalls nur je einmal belegt sind und die aus dem sportlichen Bereich herausführen: Achs- und Felgenbruch wünscht da jemand den Autofahrern auf den schlecht reparierten Straßen im Winter. Und Gleis- und Achsbruch wird im Kontext einer Eisenbahninitiative gewünscht.

Ausgehend von Hals- und Beinbruch lassen sich also 14 Varianten finden, von denen allerdings nur drei häufiger als einmal bzw. in mehr als einer Quelle vorkommen. Und Mast- und Schottbruch als Reinterpretation von Mast- und Schotbruch finde ich einen interessanten Fall, bei dem aber zu viele Umstände mitspielen (Beinahe-Homophonie, semantische Kompatibilität) als dass er vielfach übertragbar sein dürfte. Es mag gut sein, dass es in verschiedensten Bereichen noch weitere vergleichbare Redewendungen gibt, die jedoch ihren Weg in die (vom COSMAS-Corpus abgedeckten) Medien noch nicht gefunden haben. Und warum gehen eigentlich nur Teile von Gerätschaften entzwei und nicht — wie beim „Original“ — Körperteile?

Jedenfalls scheint es noch Raum für kreative Neuschöpfungen zu geben!

(*) Alle Abbildungen stammen — teils modifiziert — aus Wikipedia bzw. Wikimedia Commons. Zur Abbildung „Schoten“: Sie ist unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht; Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber ist Schorschi2. Zur Abbildung „Dolle“: Sie wurde der Wikimedia Foundation von Pearson Scott Foresman gespendet und als gemeinfrei veröffentlicht; Modifizierung von mir. Zur Abbildung „Fahrrad„: Sie ist unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht; Urheber ist Niabot auf der Grundlage einer Quelle von Al2; Modifizierung von mir, M.M.

[Nachtrag: Zum zweiten Teil von brüchen (2): frakturen]