Pünktlich zum Osterreiseverkehr wird die Straßenverkehrsordnung (StVO) geändert. Sueddeutsche.de berichtete bereits, dass ein Teil der Änderungen solche Fälle sind, bei denen früher verwendete Formen des generischen Maskulinums durch nicht-genusmarkierte Formulierungen ersetzt wurden:

Dieser Neuerlass wurde zum Anlass genommen, die StVO an das Erfordernis der sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern anzupassen. (Verordnung, PDF, S. 108)

Der Spott blieb erwartungsgemäß nicht lange aus (das könne natürlich nur von einem „Studienabbrecher im Fach Germanistik“ [vgl. sueddeutsche.de] kommen), und auch meine Freunde von der Deutschen Sprachwelt protestieren heute in einer Pressemeldung gegen „die Verhunzung der StVO“. Wie sieht es nun aus, werden wir uns in Zukunft sehr grämen müssen, wenn wir wie gewohnt unseren Kindern vor dem Schlafengehen noch ein paar Zeilen aus Pippi Langstrumpf der StVO vorlesen?

Zu den sprachlichen Änderungen gehören folgende:

  • Fahrzeugführer wird zu Wer ein Fahrzeug führt (die bei weitem häufigste Formulierung dieser Art)
  • Verkehrsteilnehmer wird zu Wer am Verkehr teilnimmt
  • Fußgänger wird zu Wer zu Fuß geht
  • Radfahrer wird laut Sueddeutsche und DSW angeblich auch zu Wer ein Fahrrad führt. Man weiß ja, dass mir die Radfahrer\-innen besonders am Herz liegen, daher muss ich feststellen: Diese Formulierung taucht in der StVO gar nicht auf; einmal aber „Wer ein Fahrrad oder ein Kraftrad fährt“ (§ 23, meine Hervorhebung).

Als Ergebnis steht dann etwa:

  • Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird. (§ 3)
  • Wenn nötig, muss, wer ein Fahrzeug führt, warten. (§20)
  • Wer ein Fahrzeug führt, darf bis zu 10 m vor einem Lichtzeichen nicht halten, wenn es dadurch verdeckt wird. (§ 37)
  • Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. (§1)
  • Wer zu Fuß geht, muss die Gehwege benutzen. (§25)
  • Wer zu Fuß geht, darf den Fahrverkehr nicht unnötig behindern. (zu Zeichen 325.1)

Wer damit ein Problem hat, hat wohl noch ganz andere Sorgen. Beim zweiten Beispiel wird der Satzbau tatsächlich etwas komplexer als unbedingt notwendig, aber verständlich und eingängig sind diese Formulierungen doch auf jeden Fall.

Weitere Änderungen betreffen Partizipbildungen:

  • Fahrzeugführer wird zu Fahrzeugführende
  • Verkehrsteilnehmer wird zu am Verkehr Teilnehmende
  • Fußgänger wird zu zu Fuß Gehende
  • Radfahrer / Mofafahrer wird zu Rad Fahrende / Mofa Fahrende
  • Fahrer von Krankenfahrstühlen oder Rollstühlen wird (ein Mal!, im Dativ) zu Fahrende von Krankenfahrstühlen oder Rollstühlen (auch hier zitieren die genannten Medien falsch)

Solche Partizipbildungen haben meiner Meinung nach schon den Nachteil, dass sie häufig etwas sperrig wirken:

  • Beim Überholen muss ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern [sic!], insbesondere zu den zu Fuß Gehenden und zu den Rad Fahrenden, eingehalten werden. (§5)
  • Gelten die Lichtzeichen nur für zu Fuß Gehende oder nur für Rad Fahrende, wird das durch das Sinnbild „Fußgänger“ [sic!] oder „Radverkehr“ angezeigt. Für zu Fuß Gehende ist die Farbfolge Grün-Rot-Grün; für Rad Fahrende kann sie so sein. Wechselt Grün auf Rot, während zu Fuß Gehende die Fahrbahn überschreiten, haben sie ihren Weg zügig fortzusetzen. (§ 37)
  • auch grammatisch gibt es hier Zweifelsfälle, so etwa: „Wer ein- oder aussteigt, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer am Verkehr Teilnehmenden [Teilnehmender!?] ausgeschlossen ist.“ (§ 14)

Nach meinem Überblick sind aber auch diese Formulierungen so eingesetzt, dass der Text absolut verständlich bleibt. Die Aufregung scheint mir aus der (subjektiven) Textverständlichkeitsperspektive unbegründet. Außerdem gab es ähnliche Formulierungen schon immer, wie etwa in § 11, wo die Partizipform (von mir hervorgehoben) schon in der früheren Fassung stand; aus „mit dem Verzichtenden“ wurde nun aber „mit dem oder der Verzichtenden“:

  • Auch wer sonst nach den Verkehrsregeln weiterfahren darf oder anderweitig Vorrang hat, muss darauf verzichten, wenn die Verkehrslage es erfordert; auf einen Verzicht darf man nur vertrauen, wenn man sich mit dem oder der Verzichtenden verständigt hat. (§11)

Was allerdings auffällt (auch von sueddeutsche.de bereits angesprochen) sind die Fälle, in denen die Formulierungen dann doch nicht geändert wurden, siehe auch „sic!“ in den obigen Zitaten. Einige weitere Beispiele:

  • sonstige Pflichten des Fahrzeugführers; als Kraftfahrzeugführer (jeweils § 49)
  • eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer (§ 7 und mehrfach an anderer Stelle), für Verkehrsteilnehmer in der Kreuzung (§ 36)
  • Fußgänger (§ 25 als Überschrift), zum Schutz der Fußgänger (§ 45); Zeichen 133 „Fußgänger“; auch: Fußgängerzone (§ 10), Fußgängerverkehr (§ 24), auf Fußgängerüberwegen (§ 25) u.a.m.

Auch im Vorblatt und der Begründung der Neufassung wird fleißig weiterhin generisches Maskulinum verwendet.

An dieser Stelle will ich nur mal klarstellen, dass ich auch nicht selten selbst das generische Maskulinum verwende; ich fordere auch nicht, dass alle Texte unbedingt sofort überarbeitet und umformuliert werden müssen. Ich halte es aber für eine positive Entwicklung, dass auch in der Ministerialbürokratie das Bewusstsein für diese sprachliche Problematik angekommen ist und dass versucht wird, Schritte zu einer sprachlichen Gleichbehandlung zu unternehmen. Auch wenn die eine oder andere Formulierung vielleicht noch verbessert werden kann: die — noch dazu vollkommen unbegründete — Pauschalkritik an diesem Versuch und der Spott darüber sind absolut fehl am Platz.